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Männlich, weiß, über 60, sucht…

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Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences brüstet sich, den wichtigsten Preis der Filmindustrie zu vergeben: 37 Millionen Menschen haben im letzten Jahr die Verleihung der Academy Awards gesehen, eine Oscar-Statue entscheidet über Ruhm und Marktwert. Aber noch bevor wir wissen, ob am Sonntag George Clooney oder Brad Pitt mit dem Goldjungen nach Hause gehen, hat die Los Angeles Times ein viel wichtigeres Geheimnis gelüftet: Wer entscheidet eigentlich über die Oscars? Seit Jahrzehnten weigert sich die Academy, die Namen der 5.765 Juroren bekannt zu geben. In mühevoller Kleinarbeit haben die Reporter der LA Times nun mehr als 5.100 Jury-Mitglieder ausfindig gemacht, und die Recherche birgt einigen Sprengstoff.

Ist zum Beispiel George Lucas in der Jury, der Regisseur der legendären “Star Wars”, der bereits vier Mal für einen Oscar nominiert war? Fehlanzeige. Und Woody Allen, der immerhin drei Oscars gewonnen hat und 23 Mal nominiert war? Weigert sich seit Jahrzehnten beharrlich, dem Verein beizutreten. Stattdessen sitzen Menschen in der Jury, die nicht unbedingt für ihr Filmwissen berühmt sind: etwa Madonna oder Meat Loaf, der nach seinem Auftritt als korrupter Sheriff in dem bahnbrechenden Streifen Crazy in Alabama 1999 für die Jury nominiert wurde.

“Manchmal kratze ich mich am Kopf und frage, Wie kam denn der rein?“ sagt Sid Ganis, der ehemalige Academy-Präsident, der LA Times. “Und umgekehrt: Warum ist denn der oder diejenige nicht drin?”

Die Auswertung der Times ergibt, daß 94 Prozent der Jurymitglieder weiß sind, 77 Prozent männlich, und ihr Durchschnittsalter liegt bei 62 Jahren. Nur 14 Prozent der Juroren sind unter 50. Oder, wie es ein amerikanischer Blogger formuliert hat: “Es sind also alte Säcke, die darüber entscheiden, welche Filme in sind.”

Kein Wunder, dass “The Artist“ – ein ganz wunderbarer, aber eben recht konservativer schwarz-weißer Stummfilm – der haushohe Favorit in diesem Jahr ist und Michael Fassbenders sextrunkener Film “Shame” oder Ryan Goslings rasanter “Drive” nicht einmal nominiert wurden.

Auch wenig überraschend, dass in den 83 Jahren Academy erst einmal eine Frau den Preis für die beste Regie gewann: Katheryn Bigelow für “The Hurt Locker”, einen extrem maskulinen Kriegsfilm.

Würden andere Filme gewinnen, wenn mehr Frauen, Farbige und Jüngere mitbestimmen dürften? “Wenn im Land 12 Prozent Farbige leben, dann beteiligt Farbige an der Academy mit 12 Prozent”, sagte Denzel Washington der LA Times, “wenn 15 Prozent in Amerika spanischer Herkunft sind, dann beteiligt auch sie mit 15 Prozent an der Academy. Warum nicht?”

Die Academy ist einer der exklusivsten Clubs der Welt, und wer sich Eintritt verschaffen will, muss von zwei aktuellen Academy-Mitgliedern vorgeschlagen werden. Eine Oscar-Nominierung führt nicht automatisch zu einer Mitgliedschaft, und natürlich kann niemand – wie Lucas und Allen – gezwungen werden, aber wer einmal drin ist, bleibt auf Lebenszeit drin. So finden sich darin recht unbekannte C-Darsteller, die von ihren eigenen Eltern nominiert wurden, oder Starlets, die einmal als heiße Nachwuchshoffnung gehandelt wurden, aber dann eine Karriere als Kellnerin, Buchhändler oder Nonne verfolgten. Ihre Stimme zählt genau so viel wie die von Meryl Streep, Steven Spielberg, oder Leonardo DiCaprio.

Auch wenn es möglicherweise gar nicht schlecht ist, dass erfahrene alte Hasen die relevantesten Filme prämieren, Hunderte von Academy-Mitgliedern haben seit Jahrzehnten keinen Film mehr gemacht, und das provoziert die Frage: Sind sie noch auf der Höhe der Zeit, auch wirklich die besten Filme auszuzeichnen?

Kritik an der Zusammensetzung der Jury gibt es seit Jahren. In den letzten 83 Jahren waren nur vier Prozent der Gewinner farbig. Reverend Jesse Jackson protestierte schon 1996 gegen die Abwesenheit von farbigen Oscar-Nominierten und beschrieb dies als “Rassenausgrenzung und kulturelle Gewalt.” Letztes Jahr wurde diese Kritik wieder laut, weil kein einziger Farbiger in den wichtigsten Kategorien nominiert war und auch kein männlicher Farbiger einen Preis vergeben durfte. Samuel L. Jackson beschwerte sich in einem Brief an die Times: “Offensichtlich gibt es nicht einen einzigen schwarzen männlichen Schauspieler, der in der Lage ist, vom Teleprompter abzulesen oder der ‚hip‘ genug für die neue Academy-Demografie ist!”

Dass Eddie Murphy in diesem Jahr die Oscar-Verleihung moderieren sollte, wurde allgemein als Zugeständnis an die Kritiker gewertet, aber bekanntlich gab Murphy den Job zurück. Nachdem die Jungspunde James Franco und Anne Hathaway im letzten Jahr die Oscar-Verleihung in Langeweile versenkten, passt der jetzige Gastgeber wieder perfekt zur alten Academy: der unvergleichlich komische Billy Crystal ist männlich, weiß, 64 Jahre alt und präsentiert die Oscars nun zum neunten Mal. Nur keine Experimente!


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